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Die Regulierung der Universitäten

Erstveröffentlichung: April 2013
Medium: BLATT TU Graz

Ausgangslage

Die große Universitätsreform in den 70iger Jahren des 20. Jahrhunderts bestand aus der öffentlichen Verwaltung der Universitäten gekoppelt mit einem Mitentscheidungsrecht aller universitärer Kurien. Deshalb spricht man auch von der Gruppenuniversität. Dabei wurden neben dem laufenden Geschäft auch große Teile der strategischen Entscheidungen – wie bspw. den Studienplänen – an den Universitäten erstellt. Diese brauchten für ihre Wirksamkeit jedoch der Genehmigung durch das, für die Universitäten zuständige, Ministerium. Die Erstellung durch die Betroffenen mit anschließender Genehmigung der Verwaltung gehört zur klassischen öffentlichen Kulturverwaltung.

Mit der Organisationsreform von 1993 wurden erste marktwirtschaftliche Elemente in das Kulturverwaltungssystem integriert und im Gegenzug die Mitentscheidung eingeschränkt bis 2002 die Universitäten radikal umgekrempelt und in ein Regulierungssystem übergeführt wurden.

Was ist Regulierung?

Unter Regulierung versteht man die politische Steuerung eines marktwirtschaftlichen Sektors. Die ausführenden Organisationen sind private Betriebe, großteils Dienstleistungsunternehmen, in einem für die Gesellschaft heiklen Geschäftsbereich. Besonders bekannt sind die Mobiltelefonbranche und die Privatradios. Der staatliche Eingriff geschieht über eine (zumeist weisungsfreie) Behörde, die Lizenzen für die Marktteilhabe ausstellt, das Einhalten der konkreten staatlichen Bedürfnisse kontrolliert und allenfalls die Lizenzen wieder entzieht. Regulierungssysteme tendieren im Laufe der Jahre dazu immer komplexer zu werden. Vor allem geschieht das über die gesetzliche Aufnahme von Ausnahmen und Gegenausnahmen, die im Extremfall die Funktionsfähigkeit zum Erliegen bringen kann.

Spezifika regulierter Universitäten

Anders als bei privaten Unternehmen bestehen bei regulierten Universitäten erhebliche Unterschiede. So ist die Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre nicht mit den Freiheiten eines mitbestimmten Unternehmens vergleichbar, da zweitere wesentlich engere Spielräume zulassen. Daher müssen entweder die Universitätsangehörigen zum Verzicht auf ihre wissenschaftlichen Freiheiten „überredet” werden oder es spießt sich hinten und vorne. Der Abschluss von zumeist befristeten Dienstverträgen mit der Aussicht auf eine nur einmalige Verlängerung führt dabei tendenziell zu einer Aufgabe der Wissenschaftsfreiheiten. Und der wohl wichtigste Unterschied ist die finanzielle Abhängigkeit vom Staat.

Auch sind keine expliziten Ziele, wie sie für marktwirtschaftliche Sektoren gelten, verankert. Sie finden nur über den Umweg der Universitätsaufgaben (§ 3 UG), der Auslegung dieser Aufgaben durch die leitenden Grundsätze (§ 2 UG) sowie den Leistungsvereinbarungen (§ 13 UG) Eingang. In den Leistungsvereinbarungen findet sich auch die finanzielle Abhängigkeit wieder. Darüber hinaus gibt es noch weitere Instrumente der staatlichen Aufsicht, die zumeist indirekt implementiert ist. Das wichtigste dabei ist der Universitätsrat, in dem die ehemals ministerielle Genehmigung weiter lebt. Da der Universitätsrat formal als Gremium der jeweiligen Universität gilt, spricht man hierbei von einer „regulierten Selbstregulierung”.

Universitäten im Wettbewerb

Der Wettbewerb auf universitärem Boden spielt seit jeher eine Rolle. Im alten Kulturverwaltungssystem wurde er über die wissenschaftlichen Leistungen von Ansehen, Kreativität und Qualität von Forschung und Lehre ausgetragen. Die ökonomischen Aspekte spielten dabei eine vernachlässigbare Rolle.

Der Wettbewerb an regulierten Universitäten hingegen ist auf Basis der Marktwirtschaft und damit letztendlich auf den ökonomischen Zwängen aufgebaut. Da Privatuniversitäten mangels direkter Vermarktbarkeit und dem Fehlen großer privater GönnerInnen keine nennenswerte Größe darstellen, können sie – anders als das bspw. bei der Telekommunikationsregulierung der Fall ist – keine ernst zu nehmende Konkurrenz für die staatlichen Universitäten sein. Sehr wohl aber werden sie politisch als Reformargument verwendet. Als Ausgleich für die fehlende Konkurrenz fördert der Staat den Wettbewerb zwischen den staatlichen Universitäten und auch innerhalb einer. Ein maßgebendes Instrument sind die Verhandlungen bei den Leistungsvereinbarungen. Die Finanzierungsverpflichtung des Staates ergibt sich teilweise aber nicht ausschließlich über Indikatoren. Als solches sind die Universitäten bestrebt, jene wissenschaftlichen MitarbeiterInnen und auch Studierenden anzuwerben, die das Wissenschaftsministerium als die geeignetsten ansieht. Dieser künstlich geschaffene Markt, in dem Studierende und das wissenschaftliche Personal nur Produkte sind, wurde 2002 von den damaligen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ politisch so gewollt. Überdies sind die Studierenden die einzige Gruppe der Universitätsangehörigen, die für ihre Arbeit keine Bezahlung bekommen sondern teilweise noch dafür bezahlen müssen.

Weitere Elemente des Wettbewerbs, ist der Zwang zum Einwerben von Drittmittel und der Verkauf von Immaterialgüterrechten wie bspw. Lizenzen auf Patente. Wettbewerbsverzerrend hingegen sind die Haftungsregelungen nach § 49 UG die keine volle Insolvenzfähigkeit vorsehen, da die Existenz einer Universität durch den Geltungsbereich (§ 6) gesichert ist und es damit zu keiner Liquidation kommen kann.

Bildungsgrundversorgung

Da Österreich die Europäische Menschenrechtskonvention und deren erstes Zusatzprotokoll in die Verfassung aufgenommen hat, besteht ein allgemeines Recht auf Bildung. Dies ist nicht, wie bei den meisten Menschenrechten üblich, ein reines Abwehrrecht sondern umfasst auch ein – wenn auch beschränktes – Teilhaberecht. Daher obliegt dem Staat die Verwirklichung einer Bildungsgrundversorgung, die sich aber als Teilhaberecht nur auf die gesamtgesellschaftliche Situation bezieht und nicht auf die Bedürfnisse jeder einzelnen Person. Eine Ausnahme besteht bei den ersten neun Bildungsjahren für die eine Unterrichtspflicht gilt – für diese hat der Staat jeder Person einen Schulplatz zur Verfügung zu stellen. Nicht aber müssen bei höheren Schulen jeder Person tatsächlich der Zugang gewährt werden – ein Beispiel dieser Einschränkung sind die Aufnahmeprüfungen an HTLs.

Vom gegenwärtigen Entwicklungsstand der Gesellschaft gehören auch die Universitäten in die staatliche Bildungsgrundversorgungspflicht. Daher muss ein gewisses Mindestangebot zur Verfügung stehen. Ein Ausdruck dieser Verpflichtung sind jene Zahlen der Testphase für Zugangsbeschränkungen, die im Wesentlichem ein Fortschreiben des Status Quo bedeuten. Mit ein Grund für die Festlegung dieser Zahlen ist dabei ein grundlegendes Problem des Staates. Beschränkt dieser den Zugang, so müsste er in anderen Studien gesteigerte Studierendenzahlen finanzieren, was eine Erhöhung der staatlichen Universitätsausgaben zur Folge hätte. Aus diesem Grund dürfen die Universitäten auch nicht die Zugangsbeschränkungen in wilkührlicher Höhe selbst festlegen.

Notwendigkeit der Unterdotierung

Die parlamentarische Kontrolle des Wissenschaftsministeriums sowie die daraus erwachsene Möglichkeit staatlich einzugreifen, nicht zuletzt wegen der Bildungsgrundversorgung, erfordern wirksame Instrumente um die Universitäten in eine gewisse Richtung drängen zu können. Da die Autonomie der Universitäten im Rahmen der Vollrechtsfähigkeit dem formal entgegen steht, wird dies vorwiegend über die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel gesteuert. Dies ist praktisch nur möglich, wenn das Budget in Summe zu knapp bemessen ist. Zwar kann eine einzelne Universität nach den Spielregeln des Wettbewerbs und der Leistungsvereinbarungen ausreichend mit finanziellen Ressourcen ausgestattet sein, jedoch nur auf Kosten der anderen Universitäten. Deshalb kann die politische Zielsetzung 2% des BIPs für die Universitäten auszugeben erst dann verwirklicht werden, wenn von der Regulierung der Universitäten wieder abgesehen und zum alten Kulturverwaltungssysstem wieder zurück gekehrt wird. Die Kehrseite einer solchen Rückbesinnung ist jedoch die Aufgabe der Autonomie. Aber was hilft schon die Autonomie, wenn damit ohnehin nur selbstverantwortlich die Mängel verwaltet werden können.