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26.04.2013
Fraktionen und Parteien

Immer vor ÖH-Wahlen taucht das Thema Unabhängigkeit, insbesondere im Kontext zu Parteien, auf. Aus diesem Anlass betrachten wir einmal näher, wie sich das verhält. Zunächst muss gesagt werden, dass der Begriff „Partei” unscharf ist. Es muss zwischen zwei grundsätzlich verschiedenen Arten unterschieden werden: Wahlparteien und politische Parteien. Wahlparteien sind wahlwerbende Gruppierungen, also Listen, die für ein Organ einer Körperschaft des öffentlichen Rechts antreten. Eine politische Partei ist eine der möglichen Formen für juristische Personen. Andere Organisationsformen wären Vereine, Kapitalgesellschaften u.d.gl.

Wahlparteien

Die wahlwerbenden Gruppen für die Universitätsvertretung, landläufig als ÖH-Fraktionen bezeichnet, sind alleine durch ihr Antreten Parteien im Sinne einer Wahlpartei. Hier haben wir es mit Identität und nicht mit Unabhängigkeit zu tun. Niemand kann von sich selbst unabhängig sein, es sei denn, es liegt eine schwere psychische Erkrankung in Form einer dissoziativen Identitätsstörung oder einer multiplen Persönlichkeitsstörung vor.

Der Charakter einer Partei wird dadurch noch verstärkt, dass es Aufgabe der Fraktionen ist, zu erklären, wie sie gedenken, die Studierenden zu vertreten. Erst die Präsentation der Inhalte, insbesondere der leitenden Grundsätze, ermöglicht es den Wählerinnen und Wählern, die für sie richtige Entscheidung zu treffen. Eine Wahl zur Universitätsvertretung ist daher immer eine politische Wahl.

Politische Parteien

Schwieriger wird es mit den politischen Parteien. Zum einen sind sie juristische Konstrukte, die nichts mit dem Wahlablauf zu tun haben. Zum anderen, sind es ihre Parteiapparate, die die jeweiligen politischen Inhalte der Öffentlichkeit schmackhaft machen.

Nur eine einzige ÖH-Fraktion, der VSStÖ, ist auch eine Teilorganisation einer politischen Partei im Umfeld des Nationalrats. Zwei weitere Fraktionen, die GRAS-Bundesorganisation und die Fachschaftsliste BOKU, sind sogar selbst politische Parteien. Und die Julis haben bei den letzten Europaparlamentswahlen sogar als Wahlpartei kandidiert. Eine Reihe weiterer Fraktionen wie AG, KSV und RFS haben in unterschiedlicher Prägung Naheverhältnisse zu politischen Parteien.

Im Wesentlichen besteht kein Einfluss der großen Parteienlandschaft auf ÖH-Fraktionen. Dort wo er existiert, ist er so geringfügig, dass er vernachlässigbar ist. Eine Besonderheit stellt die GRAS dar, da diese in ihrem Parteistatut die Kurzbezeichnung „Die Grünen” zu einer Zeit geschrieben haben als jene andere Partei noch „Die grüne Alternative” hieß. Die GRAS kann daher jederzeit mittels einstweiliger gerichtlicher Verfügung die Verwendung der Bezeichnung „Die Grünen” untersagen lassen und hat damit ein wirksames Abwehrmittel gegen Einflussnahmen in der Hand.

Das Sprungbrett ÖH

Dass eine ÖH-Tätigkeit manchmal zum Sprung in die große Politik führt, ist an sich nichts Schlechtes. Es gibt aber auch schlechte Motive dafür. Eine Person, die nur deshalb eine ÖH-Tätigkeit aufnimmt, um den Sprung zu schaffen ist nicht zu gebrauchen – weder für die ÖH noch für die große Politik. Solche Personen werden vor allem von großen Fraktionen angezogen, da nur über diese vorzeigbare Funktionstitel erlangt werden können. Dabei spielt es gar nicht so sehr eine Rolle wohin diese Personen springen wollen. Vor allem sich inhaltsleer gebende Fraktionen eignen sich für diese besonders gut, um sich alle Optionen offen zu halten. Daher ist es für ÖH-Fraktionen eine wichtige Herausforderung, solche Personen an einem Beitritt zu hindern oder zumindest deren Zahl gering zu halten.

Sinnvoll hingegen ist ein Sprung in die große Politik bei jenen Personen, die am Ende der ÖH-Tätigkeit aus Interesse weiterhin politisch aktiv bleiben wollen. Sie bringen viel Erfahrung mit, kennen Gremienarbeit und sind inhaltlich gefestigt. Sie sind eine der Stützen der großen Politik.