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228.073Menschenrechtsgeschichte (III)   KS, 2st.WS 2004/05
„Auch mit Gewalt nicht zu verhindern”
Das Staatsgrundgesetz von 1867
Handout: Herwig Siebenhofer

Kurze Zeittafel

04.02.1867Einberufung des engeren Reichsrats
22.05.1867Eröffnung des Abgeordnetenhauses
19.06.1867Regierungsvorlagen zur Abänderung der Reichsverfassung 1861
19.06.1867Empfehlung zur Einsetzung eines Verfassungsausschusses des Abgeordnetenhauses.
21.06.1867Beschluss der Einsetzung des Verfassungsausschusses mit 36 Mitgliedern. Davon waren vier (Gschnitzer, Potocki, Ziemialkowski, Brestel) bereits Abgeordnete des Reichstags 1848/49
27.06.1867Subkomitee mit 7 später 9 Mitgliedern
23.07.1867Brestel legt Grundzüge über die Vorgangsweise vor. Zu den Regierungsvorlagen kommen auch zusätzliche Staatsgrundgesetze hinzu, was eine Totaländerung der Reichsverfassung 1861 bedeutet.
23.09.1867Verfassungsausschuss berät Grundrechtsentwurf des Subkomitees
16.10.1867Annahme der Grundrechte in dritter Lesung durch das Abgeordnetenhaus
16.10.1867Annahme des Reichsgerichts durch das Abgeordnetenhaus
28.11.1867Grundrechte: zweite Lesung des Herrenhaus mit kleinen Abänderungen
02.12.1867Herrenhaus ändert Art. 5 des Staatsgrundgesetzes über das Reichsgericht
07.12.1867Grundrechte: Abgeordnetenhaus nimmt Änderungen des Herrenhauses an, somit lag der übereinstimmende Beschluss beider Häuser des Reichsrats vor.
07.12.1867Reichsgericht: Abgeordnetenhaus nimmt Änderung des Herrenhauses an.
21.12.1867Kaiser sanktioniert des Staatsgrundgesetze und das Delegationsgesetz.
22.12.1867Staatsgrundgesetze und Delegationsgesetz treten in Kraft.

 
Einbringung der Staatsgrundgesetze

auf Regierungsvorlagen zurückzuführen:

    – Staatsgrundgesetz über die Reichsvertretung, Änderung
    – Delegationsgesetz
    – Gesetz über die Ministerialverantwortlichkeit

auf selbständige Initiativen des Reichsrats:

    – Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger
    – Staatsgrundgesetz über die Einsetzung eines Reichsgerichts
    – Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt
 

Vorentwurf Grundrechte: Übernahme der Artikel aus bestehendem Recht

    – 13 Artikel ganz bzw. fast wortwörtlich aus der Verfassung 1849
    – 5 Artikel verweisen direkt auf die Verfassung 1849
    – 2 Artikel mit geringer Ähnlichkeit (Bezug auf die Gesetzesbezug 1862)
    – 5 Artikel völlig neu
 

Endfassung des Grundrechte-Staatsgrundgesetz

    – Art. 1- 7: aus der Reichsverfassung entlehnt
    – Art. 8 - 17: aus dem Grundrechtepatent
    – Art. 18: neu (freie Berufswahl)
    – Art. 19: Nationalitäten-Artikel in Anlehnung an die Reichsverfassung
    – Art. 20: Suspension (Vorbild Grundrechtepatent)
 

Hierarchie der Staatsgrundgesetze

    – Änderung des Grundgesetzes über die Reichsvertretung vom 26.2.1861
    – Grundrechte-Staatsgrundgesetz
    – Reichsgerichts-Staatsgrundgesetz
    – Staatsgrundgesetz über die richterliche bzw. über die Regierungs- und Vollzugsgewalt
    – Delegationsgesetz
 

In Kürze

Die außenpolitische Lage drängte Kaiser Franz Josef 1865 eine rasche Lösung der innerstaatlichen Probleme herbeizuführen. Daher wurden Verhandlungen mit dem ungarischen und dem kroatischen Landtag geführt, welche in der dualistischen Gestaltung der Monarchie mündeten. Mit der Einsetzung einer eigenen ungarischen Regierung am 17.2.1867 und der Krönung Franz Josefs zum König von Ungarn am 8.6.1867 war diese Umgestaltung abgeschlossen. Für die übrig gebliebenen habsburgischen Länder, auch als Cisleithanien bezeichnet, ergingen am 21.12.1867 eine Reihe von Staatsgrundgesetzen, die zusammen die Dezemberverfassung bilden.
 

Entstehung der Staatsgrundgesetze

Die Aufteilung auf mehrere Staatsgrundgesetze sollte den Eindruck bloßer Ergänzungen erwecken und von der Totaländerung der Reichsverfassung 1861 ablenken. Für die Ausarbeitung jedes Staatsgrundgesetz wurde je ein Referent bestimmt. Das Abgeordnetenhaus setzte einen eigenen Verfassungsausschuss ein und dieser bekam ein Subkomitee. Das Herrenhaus hingegen wies die Angelegenheiten der bestehenden “Vereinigten juridisch-politischen Commission” zu. Durch eigene Initiativen des Verfassungsausschusses des Abgeordnetenhauses – darunter zählen auch die Grundrechte - wurde dieser zum eigentlichen Schöpfer der Dezemberverfassung. Das Herrenhaus nahm geringeren Einfluss war, Kaiser und Ministerrat blieben hingegen passiv. Im Gegensatz zu 1848/49 sanktionierte der Kaiser die gemeinsamen Beschlüsse der beiden Kammern des Parlaments.

Grundrechtskatalog:

Das Verfassungsausschuss-Mitglied Dr. Eduard Sturm erstellte einen Entwurf und legte diesen, dem Subkomitee vor, welches nur geringe Änderungen vornahm und als Entwurf des Subkomitees dem Verfassungsausschuss übergab. Zum Vorbild wurde die vom Kaiser oktroyierte Verfassung 1849 genommen. Zur Vorbereitung erstellte Sturm Tabellen mit Gegenüberstellungen der Grundrechte der Verfassung 1849, Kremsier 1848, der Grundrechte von Frankfurt, Niederlande 1848, Kurhessen 1831, Hannover 1840, Oldenburg 1849, Bremen 1846 und Preußen 1850 und ergänzte diese mit Auszügen der Reichstags-Protokolle vom 3.1.1849 und 26.1.1849. Bei den Änderungen zu 1849 schlägt der Bezug auf den Reichstags-Grundrechtsentwurf 1848 durch. Sturm rechtfertigte im Abgeordnetenhaus seinen Entwurf auch mit Verweisen auf die Frankfurter Grundrechte.

Im Gegensatz zum Grundrechtepatent 1849, welchem mehrere Verfassungsgesetze zur Seite gestellt wurden, hat das Grundrechte-Staatsgrundgesetz von 1867 eine einheitliche Verfassungsurkunde und unterscheidet sich somit grundlegend in der Systematik.

Neu in den Grundrechtskatalog wurde das Recht der freien Berufswahl aufgenommen. Beim Petitionsrecht wurden die Behörden ausgenommen und die Vereine hinzugefügt Das Recht der freien Teilbarkeit des Grundeigentums wurde entfernt und die Regelung den Landtagen überlassen. Die volle Genugtuung bei gesetzeswidriger Verhaftung wurde auf einen Schadensersatz eingeschränkt. Vom Verbot des Zwangs zu kirchlichen Handlungen wurden Gewaltunterworfene ausgenommen. Die häusliche Religionsausübung bekam den Vorbehalt nicht sittenwidrig zu sein.

Anstelle “politischer Rechte” tritt der Begriff “allgemeine Rechte”. In den Debatten werden unter diesen Begriffen sowie der Bezeichnung Grundrechte inhaltlich aber keine Unterschiede gemacht. Der Begriff Grundrechte täuscht auch, da er nur allgemeine Rechte der Staatsbürger gewährt, diese aber Nicht-Staatsbürgern verwehrt werden. Der Streichung “Staatsbürger” bei der Eigentumsfreiheit kommt daher keine Bedeutung zu. In der Lehre werden aber bald, wegen der zunehmenden Gleichstellung im Zivil- und Strafrecht, einige Grundrechte der Staatsbürger als Menschenrechte aufgefasst. Nicht im Grundrechtskatalog aufgenommen wurde das politische Wahlrecht, da es nicht allen Staatsbürgern zukam.

Von den 20 Artikel des Grundrechte-Staatsgrundgesetzes sahen nur sieben eine Durchführung durch den Gesetzgeber ausdrücklich vor, vier weitere deuteten dies an. Die restlichen neun Artikel nehmen keinen Bezug auf den Gesetzgeber. Deshalb stand auch die Frage der unmittelbaren Wirksamkeit bald im Raum. Für den Verfassungsausschuss stand von Anfang an fest, dass eine weitere Durchführung durch den Gesetzgeber zum Grundrechte-Staatsgrundgesetz erforderlich ist und damit auch der Einfluss des Abgeordnetenhauses weiter besteht.

Die Wiener Juristische Gesellschaft setzte eine Kommission ein, die nur fünf Artikel mit einer sofortigen Geltung bewertete. Zu 13 Artikel statt jenen sieben ausdrücklich erwähnten wurde eine Tätigkeit des Gesetzgebers festgestellt.

Suspension von Grundrechten:

Bis auf das Petitionsrecht konnten die selben Grundrechte wie im Grundrechtepatent von 1849 suspendiert werden. Und zwar:

    – Freiheit der Person
    – Hausrecht
    – Briefgeheimnis
    – Vereins- und Versammlungsfreiheit
    – freie Meinungsäußerung inkl. Zensurverbot

Die Bedingungen für die Suspension wurden durch das Grundrechte-Staatsgrundgesetz nicht mehr geregelt und ergingen 1868 zuerst als Notverordnung und 1869 als formelles Gesetz. Dieses sah nicht nur Krieg und innere Unruhen vor, sondern umfasste auch bevorstehenden Kriegsausbruch, hochverräterische sowie verfassungsbedrohende und persönliche Sicherheit gefährdende Umtriebe vor. Mit der zusätzlichen Möglichkeit der Aufhebung von Geschorenengerichten stand die Suspension im Kontext zur Verhängung des Ausnahmezustandes.

Reichsgericht:

Der Verfassungsausschuss beauftragt Dr. Raffael Kremer Ritter von Auenrode mit einer Entwurfserstellung. Dieser wurde vom Verfassungsausschuss am 20.9.1867 beraten. Der Schutz allgemeiner politischer Rechte durch das Reichsgericht wurde von niemanden in Frage gestellt – ein Verfassungsschutz nur durch Ministerverantwortlichkeit galt ausdrücklich als ungenügend. Das Reichsgerichts-Staatsgrundgesetz wurde bewusst als Schlussstein der Verfassung entworfen.

Zum Reichsgerichts-Staatsgrundgesetz nahm die Wiener Juristische Gesellschaft das Recht des Reichsgerichts zur Wiederherstellung eines verfassungsmäßigen Zustands an. Das Reichsgerichtsgesetz von 1869 gestand aber dem Reichsgericht nur feststellenden Charakter und keinen aufhebenden zu. Jedoch sah die Verwaltungspraxis in der Regel die Entscheidungen als richtungsweisend an. Auch war das Reichsgericht kein reines Grundrechte-Gericht, sondern auch für Kompetenzkonflikte zuständig.

Erst die Judikatur des Reichsgerichts hat zur näheren Ausgestaltung der Grundrechte beigetragen. Mit Ausnahme von Art. 5 (Eigentumsschutz) wurden die “allgemeinen Rechte” mit den “politischen Rechten” gleichgesetzt. Weiters wurden auch andere Rechte wie das Wahlrecht und das Gemeindebürgerrecht als “politisches Recht” betrachtet. Das Reichsgericht sah alle Grundrechte mit Ausnahme des Art. 5 als direkt anwendbares Recht an und machte damit die Grundrechte direkt den Staatsbürgern aber auch durch ein Präjudiz 1877 juristischen Personen zugänglich.
 

Staatsgrundgesetz über die Reichsvertretung

Der Reichsrat von Cisleithanien bestand aus dem Abgeordnetenhaus und dem Herrenhaus. Die Bestimmungen von 1867 waren mit denen von 1861 weitgehend ident. Die Zahl der Abgeordneten wurde von 343 auf 203 gesenkt, da keine Abgeordneten aus dem Gebiet der ungarischen Krone mehr vertreten waren und einige Gebiete der Habsburgermonarchie verloren gingen. Im Rahmen mehrerer Wahlrechtsänderungen (1873, 1896 und 1907) stieg die Anzahl aber zuerst auf 353 über 425 auf schließlich 516. Zunächst wurden die Abgeordneten von den einzelnen Landtagen kurienweise gewählt. Am 29.6.1868 wurde mit dem Notwahlgesetz dem Kaiser ein Eingriffsrecht über die Anordnung direkter Wahlen eingeräumt, wenn der entsprechende Landtag seiner Entsendung nicht nachkam. Mit der Wahlrechtsreform 1873 wurde die direkt Wahl des Abgeordnetenhauses generell eingeführt, jedoch weiterhin Kurienweise nach Steuerleistung. 1882 wurde der Steuerzensus auf 5 Gulden gesenkt, was in den Städten die Wählerschaft um ein Drittel und auf dem Land um ein Viertel erhöhte. Mit der Badenischen Wahlreform 1896 wurde eine fünfte Wählerklasse eingeführt, die ein Wahlrecht unabhängig von der Steuerleistung garantierte. Dies verdreifachte die Anzahl der Wahlberechtigten. Erst 1907 wurde des Klassenwahlrecht abgeschafft.

Die Sitzungsperiode wurde, wie schon 1861, vom Kaiser einberufen und auch beendet. Neu hingegen war, dass das Abgeordnetenhaus seinen Präsidenten und Vizepräsidenten selbst aus seiner Mitte bestimmte. Die Kompetenzen des Reichsrats wurden an den Ausgleich mit Ungarn angepasst und taxativ aufgezählt. Neu war eine Regelung nach der alle nicht ausdrücklich dem Reichsrat vorbehaltenen Kompetenzen durch die Landtage wahrzunehmen sind. Das Initiativrecht stand sowohl beiden Häusern als auch der kaiserlichen Regierung zu. Die Regierung konnte sich aussuchen, ob sie eine Gesetzesinitiative zuerst im Abgeordnetenhaus oder im Herrenhaus einbrachte. Ausgenommen waren dabei aber Finanzvorlagen und das Rekrutengesetz sowie Notverordnungen und Verordnungen über die Suspendierung von Grundrechten, die zuerst dem Abgeordnetenhaus vorzulegen waren. Die Mitglieder des Abgeordnetenhauses hatten ein freies Mandat und alle Reichsratsmitglieder besaßen sowohl berufliche als auch außerberufliche Immunität.

Beschlussfassungen mit einfacher Mehrheit bedurften der Anwesenheit von 100 Mitglieder im Abgeordnetenhaus und 40 Mitglieder im Herrenhaus. Für die Änderung von Staatsgrundgesetzen war eine Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern erforderlich, wovon ab 1873 im Abgeordnetenhaus mindestens die Hälfte der Mitglieder anwesen sein musste. Reichsgesetze wurden vom Kaiser unter Berufung auf die Zustimmung beider Häuser und der Gegenzeichnung eines verantwortlichen Ministers im Reichsgesetzblatt kundgemacht. Wenn der Reichsrat nicht versammelt war, hatte der Kaiser ein Notverordnungsrecht unter der Verantwortung der gesamten Regierung. Daher mussten Notverordnungen von allen Ministern gegengezeichnet werden. Notverordnungen hatten nur provisorische Gesetzeskraft und mussten dem Reichsrat zur Genehmigung vorgelegt werden, sobald dieser wieder versammelt war. Versagte auch nur eines der beiden Häuser die Zustimmung, erlosch die Gesetzeskraft der entsprechenden Notverordnung. Staatsgrundgesetze durften jedoch nicht durch Notverordnungen geändert werden. Das Abgeordnetenhaus legte sich mehrfach selbst durch Dauerreden und sonstigen Sitzungsstörungen lahm. Der Kaiser reagierte darauf mit der Auflösung des Reichsrats und Notverordnungen, was im Widerspruch zum § 14 des Staatsgrundgesetzes über die Reichsvertretung stand. Bspw. kamen die drei Teilnovellen des ABGBs zwischen 1914 und 1916 so zustande. Auch die Ermächtigung zum Erlass von Kriegswirtschaftsverordnungen kam zunächst 1914 mit einer Notverordnung zustande und wurde vom Reichsrat erst 1917 bestätigt.
 

Staatsgrundgesetz über die richterliche Gewalt

Mit diesem Staatsgrundgesetz wird die Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung in allen Instanzen wieder eingeführt. Die Gerichtsbarkeit war fortan im Namen des Kaisers auszuüben, womit jeder nichtstaatlichen Gerichtsbarkeit die verfassungsrechtliche Grundlage entzogen wurde. Richter wurden vom Kaiser auf Lebenszeit ernannt und waren unabsetzbar und unversetzbar, damit die Unabhängigkeit der Gerichte gewährleistet ist. Die Gerichte konnten keine Gesetze aufheben aber gesetzeswidrige Verordnungen als inexistent betrachten. Der Kaiser hatte das Recht der Amnestierung und der Begnadigung und konnte auch Gerichtsverfahren niederschlagen. Außerdem wurden Geschworenengerichte wieder eingeführt. Die Laienbeteiligung konnte jedoch bei einer Gefährdung der Unabhängigkeit der Rechtspflege ausgesetzt werden.

Mit der Einrichtung des Verwaltungsgerichtshof mit dem Gesetz vom 22.10.1875 konnte jedermann nach Durchlaufen des administrativen Instanzenzuges eine Entscheidung einer Verwaltungsbehörde wegen behaupteter Gesetzeswidrigkeit bekämpfen. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes hatten kassatorische Wirkung. Damit wurde gewährleistet, dass die gesamte Verwaltung in den gesetzlichen Bahnen gehalten wurde.

Staatsgrundgesetz über die Ausübung der Regierungs- und Vollzugsgewalt

Dieses stimmt weitestgehend mit der Verfassung von 1848 und des Kremsierer Entwurfs überein. Der Kaiser war weder politisch noch strafrechtlich verantwortlich. Die Ministerverantwortlichkeit war eine rein strafrechtliche. Zu entscheiden hatte dies der neu geschaffene Staatsgerichtshof, jedoch wurde nie eine Ministeranklage erhoben.

Gegen Ende der Monarchie bestanden elf Fachministerien. Die unteren Verwaltungsbehörden waren die Statthaltereien bzw. Landesregierungen und darunter die Bezirkshauptmannschaften. Da die Rechtspflege in allen Instanzen von der Verwaltung getrennt war, wurden die gemischten Bezirksämter aufgelöst.
 

Delegationsgesetz

Dieses beinhaltet die gemeinsamen Angelegenheiten der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder sowie der Länder der ungarischen Krone, welche alleine dem Monarchen vorbehalten sind:

    – auswärtige Angelegenheiten
    – Kriegswesen
    – Finanzwesen, der gemeinsam zu bestreitenden Kosten
    – Verwaltung von Bosnien und der Herzegowina, ab 1879

Diese sogenannten pragmatischen Angelegenheiten wurden von k.u.k Ministerien geführt, und zwar von den Reichsministern:

    – k.u.k Minister des kaiserlichen Hauses und des Äußern
    – k.u.k. Kriegsminister
    – k.u.k. Finanzminister (auch für Bosnien-Herzegowina zuständig)

Für die Gesetzgebung der pragmatischen Angelegenheiten waren die Delegationen, bestehend aus je 60 Mitgliedern des cisleithanischen Reichsrats und des ungarischen Reichstags, zuständig. In der Praxis konnte auf Grund des unterschiedlichen Rechts nur durch in beiden Staaten getrennt abgestimmte aber inhaltlich übereinstimmende Gesetze eine Gesetzgebung der pragmatischen Angelegenheiten erfolgen.


 
Dezemberverfassung 1867

    Österreichisches Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder

    Mit Zustimmung beider Häuser des Reichsrates finde Ich das nachstehende Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger zu erlassen und anzuordnen, wie folgt:
 

    Art.1. Für alle Angehörigen der im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder besteht ein allgemeines österreichisches Staatsbürgerrecht.
    Das Gesetz bestimmt, unter welchen Bedingungen das österreichische Staatsbürgerschaftsrecht erworben, ausgeübt und verloren wird.

    Art. 2. Vor dem Gesetze sind alle Staatsbürger gleich.

    Art. 3. Die öffentlichen Ämter sind für alle Staatsbürger gleich zugänglich.
    Für Ausländer wird der Eintritt in dieselben von der Erwerbung des österreichischen Staatsbürgerrechtes abhängig gemacht.

    Art. 4. Die Freizügigkeit der Person und des Vermögens innerhalb des Staatsgebietes unterliegt keiner Beschränkung.
    Allen Staatsbürgern, welche in einer Gemeinde wohnen und daselbst von ihrem Realbesitze, Erwerbe oder Einkommen Steuern entrichten, gebührt das aktive und passive Wahlrecht zur Gemeindevertretung unter denselben Bedingungen, wie den Gemeindeangehörigen.
    Die Freiheit der Auswanderung ist von Staatswegen nur durch die Wehrpflicht beschränkt.
    Abfahrtsgelder dürfen nur in Anwendung der Reziprozität erhoben werden.

    Art. 5. Das Eigentum ist unverletzlich. Eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt.

    Art. 6. Jeder Staatsbürger kann an jedem Ort des Staatsgebietes seinen Aufenthalt und Wohnsitz nehmen, Liegenschaften jeder Art erwerben und über dieselben frei verfügen, sowie unter den gesetzlichen Bedingungen jeden Erwerbszweig ausüben.
    Für die tote Hand sind Beschränkungen des Rechtes, Liegenschaften zu erwerben und über sie zu verfügen, im Wege des Gesetzes aus Gründen des öffentlichen Wohles zulässig.

    Art. 7. Jeder Untertänigkeits- und Hörigkeitsverband ist für immer aufgehoben. Jede aus dem Titel des geteilten Eigentumes auf Liegenschaften haftende Schuldigkeit oder Leistung ist ablösbar, und es darf in Zukunft keine Liegenschaft mit einer derartigen unablösbaren Leistung belastet werden.

    Art. 8. Die Freiheit der Person ist gewährleistet.
    Das bestehende Gesetz vom 27. Oktober 1862 (RGBl. Nr. 87) zum Schutze der persönlichen Freiheit wird hiermit als Bestandteil dieses Staatsgrundgesetzes erklärt.

    Art. 9. Das Hausrecht ist unverletzlich.
    Das bestehende Gesetz vom 27. Oktober 1862 (RGBl. Nr. 88) zum Schutze des Hausrechtes wird hiemit als Bestandteil dieses Staatsgrundgesetzes erklärt.

    Art. 10. Das Briefgeheimnis darf nicht verletzt und die Beschlagnahme von Briefen, außer dem Falle einer gesetzlichen Verhaftung oder Haussuchung, nur in Kriegsfällen oder auf Grund eines richterlichen Befehles in Gemäßheit bestehender Gesetze vorgenommen werden.

    Art. 11. Das Petitionsrecht steht jedermann zu.
    Petitionen unter einem Gesamtnamen dürfen nur von gesetzlich anerkannten Körperschaften oder Vereinen ausgehen.

    Art. 12. Die österreichischen Staatsbürger haben das Recht, sich zu versammeln und Vereine zu bilden. Die Ausübung dieser Rechte wird durch besondere Gesetze geregelt.

    Art. 13. Jedermann hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck oder durch bildliche Darstellung seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern.
    Die Presse darf weder unter Zensur gestellt, noch durch das Konzessionssystem beschränkt werden. Administrative Postverbote finden auf inländische Druckschriften keine Anwendung.

    Art. 14. Die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit ist jedermann gewährleistet.
    Der Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte ist von dem Religionsbekenntnisse unabhängig; doch darf den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntnis kein Abbruch geschehen.
    Niemand kann zu einer kirchlichen Handlung oder zur Teilnahme an einer kirchlichen Feierlichkeit gezwungen werden, insofern er nicht der nach dem Gesetze hiezu berechtigten Gewalt eines Anderen untersteht.

    Art. 15. Jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft hat das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung, ordnet und verwaltet ihre inneren Angelegenheiten selbständig, bleibt im Besitze und Genusse ihrer für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds, ist aber - wie jede Gesellschaft - den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen.

    Art. 16. Den Anhängern eines gesetzlichen nicht anerkannten Religionsbekenntnisses ist die häusliche Religionsausübung gestattet, insofern dieselbe weder rechtswidrig, noch sittenverletzend ist.

    Art. 17. Die Wissenschaft und ihre Lehre ist frei.
    Unterrichts- und Erziehungsanstalten zu gründen und an solchen Unterricht zu erteilen, ist jeder Staatsbürger berechtigt, der seine Befähigung hiezu in gesetzlicher Weise nachgewiesen hat.
    Der häusliche Unterricht unterliegt keiner solchen Beschränkung.
    Für den Religionsunterricht in den Schulen ist von der betreffenden Kirche oder Religionsgesellschaft Sorge zu tragen.
    Dem Staate steht rücksichtlich des gesamten Unterrichts- und Erziehungswesens das Recht der obersten Leitung und Aufsicht zu.

    Art. 18. Es steht jedermann frei, seinen Beruf zu wählen und sich für denselben auszubilden, wie und wo er will.

    Art. 19. Alle Volksstämme des Staates sind gleichberechtigt, und jeder Volksstamm hat ein unverletzliches Recht auf Wahrung und Pflege seiner Nationalität und Sprache.
    Die Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt und öffentlichem Leben wird vom Staate anerkannt.
    In den Ländern, in welchen mehrere Volksstämme wohnen, sollen die öffentlichen Unterrichtsanstalten derart eingerichtet sein, daß ohne Anwendung eines Zwanges zur Erlernung einer zweiten Landessprache jeder dieser Volksstämme die erforderlichen Mittel zur Ausbildung in seiner Sprache erhält.